„Ich habe Angst, was die dann über mich denken.“
Ein häufig gesprochener Satz in meiner Praxis, wenn es um das Thema Selbstbewusstsein geht.
Die schlechte Nachricht: Sie werden kaum etwas daran ändern können, was jemand über Sie denken möchte.
Die gute Nachricht: Sie werden kaum etwas daran ändern können, was jemand über Sie denken möchte.
Denn es hat erst einmal nichts mit Ihnen zu tun.
Wie bitte? Wie ich mich verhalte, hat doch etwas damit zu tun, wie mich jemand findet!!
Ja. Auf jeden Fall. Nur – WIE er oder sie das Urteil über Sie fällt, das hat in erster Linie etwas mit dem zu tun, der urteilt. Sind Sie jemand, der in neuen Gruppen gern aufgeschlossen und kontaktfreudig ist, so mag Sven das als laut und dominant empfinden, Cordula hingegen als erfrischend und lebendig.
Aber – wer hat denn jetzt recht, Sven oder Cordula? Wie sind Sie denn nun – nervig oder erfrischend?
Die eigene innere Landkarte
Die Veranlagung, Prägung, Sozialisation und Erfahrung in Svens Leben haben eine andere innere Landkarte angelegt als bei von Cordula. Beide haben vielleicht im gleichen Moment mit demselben Menschen zu tun, beide erleben ihn oder sie aber völlig unterschiedlich und bewerten verschieden. Über SIE sagt also weder Cordulas noch Svens Bewertung erst einmal herzlich wenig aus – über Sven und Cordula aber umso mehr.
Ich spreche hier nicht von Beispielen wie „Wenn ich jemanden beim Chef anschwärze, dann kann ich ja nichts dafür, wenn er mich dann doof findet, ist ja seine Erlebniswelt“ – natürlich gibt es soziale Verhaltensweisen, um deren Grenzen die allermeisten wissen und die wir im besten Fall nicht überschreiten. Mir geht es nicht darum, die Verantwortung für das eigene Handeln abzugeben hinter dem Argument „Ist ja Dein Problem, wie Du das findest“.
Ich spreche von Menschen, die jede Verantwortung über das Gelingen und Misslingen von Kontakten ständig und stets zu sich ziehen und es allen recht machen möchten. Von jemandem nicht gemocht zu werden – das ist erstens eine Katastrophe und fällt zweitens in ihre alleinige Verantwortung – und sie suchen den Grund dafür wie automatisiert bei sich:
Selbstbewusstsein vs. Everybody’s Darling
„Ich glaube, der mag mich einfach nicht, egal was ich mache.“
„Was wäre denn schlimm daran, wenn er Sie einfach nicht mag, wenn er Sie vielleicht nicht mögen möchte?“
„Naja, das wäre nicht so schön, es ist mir schon wichtig, dass Menschen mit mögen. Hat wahrscheinlich auch etwas mit meinem Selbstbewusstsein zu tun. Aber ich verstehe das auch einfach nicht, ich bin immer so nett zu ihm. Vielleicht nervt ihn meine freundliche Art, er ist nämlich eher ein muffeliger Typ …“
„Ah, er ist eher muffelig? Mögen Sie ihn denn?“
„Mh. Geht so.“
„Wie wichtig ist es denn, dass er SIE mag?“
„Schon wichtig. Obwohl, eigentlich kann es mir ja egal sein. Ich denke nur, ich mache doch schon alles, ich bin echt immer sehr freundlich zu ihm, und er wirkt immer nur genervt von mir…“
„Warum ist es Ihnen wichtig , dass er Sie mag, wenn Sie ihn noch nicht einmal besonders mögen?“
„Naja, wenn jemand mich nicht mag, bedeutet das ja, dass ich nicht gut bin, so wie ich bin.“
„Sie sind freundlich. Er reagiert pampig auf jemanden, der freundlich ist …“
„Naja, ich gehe ihm anscheinend auf den Keks.“
„Wie geht es Ihnen denn mit Ihrer Freundlichkeit ihm gegenüber?“
„Vielleicht versuche ich etwas zu sehr, besonders nett zu ihm zu sein, ich denke, dann MUSS er mich doch mögen.“
„Mal eine andere Perspektive: Wenn er so auf Sie reagiert – was sagt das denn über IHN aus?“
„Er mag keine freundlichen Menschen..? Oder ich erinnere ich an jemanden, den er nicht mag? Mh. Also könnte es sein, dass es gar nicht an mir liegt?“
„Oder er kann einfach mit Menschen, die freundlich zu ihm sind, nicht gut umgehen, weil er sich selbst nicht besonders mag zur Zeit? Oder in seinem Weltbild lautet ein Glaubenssatz, dass Freundlichkeit eine Schwäche ist? Es gibt viele Möglichkeiten, warum er so auf Sie reagiert. “
„Da kann ich dann ja gar nichts machen.“
„Seine Reaktion auf Freundlichkeit – das hat etwas mit IHM zu tun. Sie könnten sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln – es würde nichts an seiner Haltung Ihnen gegenüber ändern. Es sei denn, Sie würden herausfinden, dass er Sie eher mögen würde, wenn Sie genauso griesgrämig wären – und würden sich für ihn verändern. Und dann mag Sie wieder jemand anderes nicht mehr, der Ihre Freundlichkeit zu schätzen wusste.“
[ss_click_to_tweet tweet=“Wenn wir ständig auf der Hut sind, ja nicht anzuecken, müssten wir zu einem wahren Charakterchamäleon werden. #praxisschroegoe #selbstbewusstsein #psychologie #psychotherapie #selbstwert #charakter #persönlichkeitsentwicklung #selbstliebe #praxisschrögö #coaching“ content=“Wenn wir ständig auf der Hut sind, ja nicht anzuecken, müssten wir zu einem wahren Charakterchamäleon werden. “ style=“6″ link=“1″ via=“1″]Wenn wir das tun, sind wir auf Dauer auf dem besten Wege, den Kontakt zu uns selbst zu verlieren. Wir können nicht jedem gefallen. Und vielleicht wäre es eine Überlegung wert, dass wir das auch gar nicht wollen?
