„Entschuldige bitte – aber das sind doch echt Luxusprobleme, über die Du hier jammerst. Alle Nase lang Strandfotos und dann ach so erschöpft sein, das hätte ich auch gern!“
So der Kommentar einer Instagram-Userin unter dem Post einer Mutter, die über ihre Erschöpfung schrieb.
Nach den Fotos zu urteilen, leben sie und ihre Familie in guten wirtschaftlichen Verhältnissen, fahren in den Urlaub, haben schöne Dinge und können sich Restaurantbesuche erlauben. Natürlich kann das nicht jeder.
Natürlich kann hier bei Menschen, die am Ende des Monats den Cent umdrehen müssen, die von Urlaub träumen und sich kaum etwas leisten können, ein Nerv getroffen werden. Verstehe ich. Doch ich empfinde einen Punkt als existentiell wichtig: Niemand sollte jemandem sein Empfinden absprechen, nur weil er oder sie meint, es selbst schwerer zu haben. Wie alle Gefühle, sind auch Stressgefühle subjektiv, wir empfinden und urteilen IMMER aus unserer persönlichen Situation heraus.
Wieso hast DU denn bitte Stress?
Ein Blick über den Tellerrand, aus der eigenen Bubble heraus kann beim „Erden“ selbstverständlich behilflich sein. Mitunter rücken wir ein paar Perspektiven noch einmal zurecht und mit etwas Abstand auch das dazugehörige Gefühl – doch ich habe zu viele Menschen in meiner Praxis sitzen, die leiden, weil sie auch ohne Social-Media-Kommentare folgendes tun: Sie sprechen sich ihr Recht auf ihre Gefühle ab und entsprechend schlecht geht es ihnen mental.
„Stell Dich nicht so an, anderen geht es viel schlechter“ – oder: „Du hast doch alles, wieso geht es Dir denn bitteschön nicht gut?“ – häufige Gedanken. Gedanken, die uns nicht weiterbringen und die das eigene Selbstwertgefühl mindern.
Gerade im Bereich Burn-Out und Stress ist es wichtig, nicht auf Rahmendaten zu schauen, sondern hinter die Kulisse – auch mit einem 20-Stunden-Job kann man ausbrennen, es ist nicht nur die plakative 60-Stunden-Managerin oder der Vater von 5 Kindern, die im Stress sein können.
Stressempfinden ist subjektiv, Menschen sind verschieden, Lebensumstände sind nicht vergleichbar. Jeder hat sein Päckchen zu tragen – und wenn ich Neid und Missgunst empfinde, wenn ich mich vom Leben ungerecht behandelt fühle und anfange, anderen Menschen, die es vermeintlich besser haben als ich, zu beurteilen und zu verurteilen – dann wäre mein Thema vielleicht: Verantwortung übernehmen und Selbstwirksamkeit üben.
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