Wie wir mit Angst, Distanz und Stress umgehen können – 3 Tipps für die Corona-Zeit (Teil 1) 

Klingende Kassen für überteuerte Desinfektionsmittel neben gemeinsamem Musizieren aus den Fenstern, Hamsterkäufe neben Einkäufen für die Nachbarn – Corona vereint die Menschen nicht nur, diese Zeit macht auch große Unterschiede sichtbar – nicht nur im Verhalten der Menschen, auch unsere unterschiedlichen Lebensumstände werden tröstend oder schmerzhaft deutlicher.

Oft lesen wir in Mut machenden Artikeln, dass wir diese seltsame Zeit als etwas Positives begreifen können, sie zur inneren Einkehr nutzen, endlich mehr Zeit mit unseren Liebsten verbringen, endlich mal entschleunigen müssen und nun endlich können. Eine Art Rückbesinnung auf Werte – denn unsere Gesellschaft, die immer schneller und lauter wird, hat eine Vollbremsung erfahren. Das ist die Seite, die einige von uns als positiv erleben dürfen.

Doch es geht nicht allen so.
Auch Angst macht sich breit, Isolation, Einsamkeit, Panikattacken mehren sich, denn das hier ist nicht freiwillig gewählt, wir haben keine Wahl. Es ist eine erzwungene Entschleunigung. Es ist nicht der Moment, in dem wir mal ein Wochenende alles absagen und uns nur um uns kümmern oder eine Woche Auszeit im Kloster nehmen. Nein, für viele ist das hier keine gute Zeit, denn Ablenkung wäre für manche von uns gerade zur Zeit enorm wichtig und für Viele sind die Sozialkontakte keine Selbstverständlichkeit, sondern hart erarbeitet – und nun wird denen von uns, die sich ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit mühsam erkämpft haben, Vieles davon einfach wieder aus der Hand genommen.

Natürlich ist es schön und wichtig, dass viele Menschen die guten Aspekte der Isolation teilen, und doch sollten wir die nicht vergessen, für die Corona nicht nur im Hinblick auf die körperliche Gesundheit ein Thema sein könnte – auch für die Psyche kann es eine echte Belastungsprobe sein. Der Kreis ist noch viel weiter zu ziehen – von Kindern, die in einkommensschwachen Familien leben, die auf die Mittagstische angewiesen sind, für Menschen, die unter häuslicher Gewalt leiden, für Alte, für Singles, für Paare, die nun feststellen, dass nur die Alltagsstruktur sie bisher von einem konkreten Trennungsgedanken abgelenkt hat. Menschen mit Ängsten, die sich nun nicht mehr vom Lärm der Welt ablenken lassen können, die quasi Tag für Tag mit den Negativ-Schlagzeilen von morgens bis abends noch mehr Input für ihre Ängste bekommen.

Die Arten der Angst

Es gibt zwei Arten von Angst. Die eine ist die, die uns schützt, die in wirklich bedrohlichen Situationen dafür sorgt, dass wir unser Leben erhalten, also eine reale Angst. Die andere Art von Angst ist fiktiv. Es ist die Angst, die mit unseren ganz persönlichen Bildern, Emotionen und Erfahrungen gefüllt ist, sie ist sehr persönlich – und sie orientiert sich selten an der Realität.

Im Folgenden geht es um die persönlichen Ängste, die jeder einmal hat, aber in unterschiedlichem Maße. Je mehr wir versuchen, gegen diese Art von Angst anzukämpfen, desto größer wird sie. Wichtig ist nun, uns bewusst zu machen, woher sie kommt. Angst ist oft ein diffuses Gefühl, nicht greifbar, ein Gefühl, welches uns passiv werden und uns hilflos werden lässt. Und Angst hat so gut wie immer etwas mit Verlust zu tun – den Partner zu verlieren, die gesellschaftliche Stellung, das Leben, Sicherheit.
Wir strengen uns an, die Rahmenbedingen aufrecht zu erhalten, aus Angst, dass eine Veränderung etwas Negatives mit sich bringen könnte – und wir kämpfen dagegen an, so stark wir können. Doch fast jede Vermeidungsstrategie bringt auf Dauer einen Nachteil in unser Leben: ob das Vermeiden sozialer Kontakte, das Wegdrücken von Erinnerungen oder der Konsum von Suchtmitteln – alles hat einen negativen Einfluss auf unser Leben.

Wir brauchen nun einen klaren Blick, denn Angst neigt dazu, uns in negativen Gefühlen versinken zu lassen, die uns lähmen und Worst-Case-Szenarien hochbeschwören.

Nichtwissen macht Angst

Zunächst ist es speziell in diesen Zeiten wichtig, nur noch wirklich informative Medien zu konsumieren. Am besten nüchterne Fakten vom Robert-Koch-Institut einmal am Tag lesen und auf alle weiteren Berichte verzichten. Denn bereits vor zwei Wochen ist in der Corona-Berichterstattung längst eingetreten, was immer passiert, wenn der Informationsgehalt ausgeschöpft ist: Die Medien spielen mit den Emotionen der Menschen. Die Schlagzeilen müssen Aufsehen erregen, provozieren, Fragen aufwerfen, um Leser zu generieren.

Liest zum Beispiel ein Katzenbesitzer die Schlagzeile „Coronavirus konnte Katzen infizieren“, dann werden natürlich Ängste aktiv. Erst wenn man weiterliest, erfährt man, dass den Katzen erstens eine extrem hohe Dosis des Virus verabreicht wurde – und zweitens, dass es für den Menschen unbedenklich ist, da eine Übertragung von Katze auf Mensch so gut wie nie stattfindet. Ich möchte nicht noch mehr Beispiele für „Berichterstattung“ dieser Art anführen – ich denke, es ist anschaulich geworden, worauf ich hinaus möchte: Häufig lesen wir nicht weiter – wir konsumieren nur Schlagzeilen und nehmen damit auf, was uns schadet: Futter für unsere Ängste.

[ss_click_to_tweet tweet=“Die Zwangsentschleunigung durch Corona hält beides bereit: Positives und Negatives. Was wir nicht vergessen dürfen: Nicht alle können mit Aspekten wie Angst, Distanz und Stress gleichermaßen umgehen. #corona #angst #stress #socialdistancing“ content=“Und das, womit wir unsere Erlebniswelt füttern, das macht unser Weltbild und unser Innenleben aus, das prägt auf Dauer unseren Blick auf die Dinge.“ style=“4″ link=“1″ via=“1″]

Lesen wir all die schlimmen Nachrichten, dann engt das unser Sichtfenster ein, wir richten einen Lichtkegel nur noch ausschnittsweise auf das Negative, während alles Gute darum herum – alles, was wirklich da ist – unsichtbar im Dunkeln bleibt.

Zurück ans Steuer des Lebens!

Viele von uns fühlen sich zur Zeit der Situation ausgeliefert. Die Lenkung unseres Lebens erfolgt in großen Teilen durch andere – unsere Freiheit wird eingeschränkt, wir fühlen uns machtlos – ob aus gesundheitlichen oder aus wirtschaftlichen Gründen. Dieses Gefühl, die „Dinge nicht in der Hand zu haben“, nicht zu wissen, was in drei Wochen oder Monaten ist, das kann Angst machen. Ich möchte Sie ermutigen, das bis zum Ende durchzudenken. Stoppen Sie nicht an dem Punkt, an dem Sie im Kopf haben „Und was ist, wenn ich in Kurzarbeit gehen muss“ oder „Was ist, wenn ich mich mit dem Virus anstecke…?“.

Wenn wir hier stoppen mit dem Denken, übermannt uns die diffuse Angst und wir lassen uns von ihr leiten. Denken Sie weiter, machen Sie Pläne, schaffen Sie Notfallpläne. Wenn Sie in Kurzarbeit müssen, dann …? Rechnen Sie Ihre wirtschaftliche Situation genau durch, legen Sie fest, wieviel Geld fehlen würde und wo Sie sparen könnten. Fragen Sie Ihre Bank, ob Sie die Darlehensraten aussetzen können, prüfen Sie genau, welche Abos Sie wirklich brauchen, machen Sie einen genauen Einkaufsplan, legen Sie Budgets fest – und überlegen Sie sich verschieden Wege, wie Sie den Kopf über Wasser halten könnten. Wenn in Ihrem eigentlichen Beruf kein Spielraum mehr ist – denken Sie „Out of the Box“!
Es stellt sich bei der gründlichen Kalkulation heraus, es fehlt nur ein bisschen Geld? Sind Sie körperlich fit, könnten Sie aufs Feld und Spargel ernten? Dann los! Aufschreiben. Wäre es möglich, im größten Notfall einen Kredit aufzunehmen und wäre es realistisch, dass Sie ihn zurückzahlen können? Ja? Dann aufschreiben. Supermarktregale einräumen oder an der Kasse sitzen würde gehen? Aufschreiben.

Es geht darum, das Leben ein kleines Stück weit wieder in die eigene Hand nehmen zu können. Es geht darum, einer pauschalen Aussage wie „Mit Kurzarbeit sind wir schnell in der Privatinsolvenz“ den Nährboden zu nehmen und sich nicht in eine angsterfüllte Ohnmacht fallen zu lassen.

Und behalten Sie dabei immer im Blick: Es geht nicht darum, dass Ihre Zukunft langfristig genau so aussehen soll, es geht um Möglichkeiten, durch eine Phase hindurchzukommen.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Ufer vor einem nicht sehr einladend aussehenden Sumpf – und sie müssen da durch, es gibt keine Wahl. Sie können kopflos drauflosstolpern und ständig dabei denken „Und wenn ich versinke, und wenn ich versinke?“ – und das, bis es Ihnen den Atem und die Kräfte raubt.. Oder Sie können sich Bretter und Stangen besorgen, um da zwar immer noch verschlammt und vielleicht auch mal bis zum Hals durchzuwaten – aber Sie schaffen das – Sie werden nicht versinken.

Und dann stellen Sie sich die Zeit nach dieser schwierigen Phase vor – visualisieren Sie! Stellen Sie sich eine gute Aussicht, eine positive Perspektive vor – denken sie möglichst oft daran, und malen Sie es sich detailliert aus!

Da kommt noch mehr...

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